Architekturtage 2024: Geht’s noch?

Renovieren statt versiegeln: Auf dem Gelände der ehemaligen Erbsenfabrik in Bruckneudorf entstehen durch Um- und Neubauten eine Volksschule, Reihenhäuser, Wohnungen, Büros und Geschäfte. Architektur: Pesendorfer | Machalek | Dolmanits Architekten. Foto: Johannes Pesendorfer

Klimawandel, Ressourcenknappheit, Ökologie, Soziales und Ästhetik – aktuelle Themen, die uns mehr und mehr beschäftigen, auch im Umgang mit unserer gebauten und ungebauten Umwelt. Die diesjährigen Architekturtage thematisieren mit einer ganzen Reihe von Veranstaltungen das mehr als notwendige radikale Umdenken im Bauwesen.

Die Architekturtage gelten als Österreichs größte Publikumsveranstaltung für Architektur und Baukultur und finden 2024 bereits zum 12. Mal statt. Zwei Tage lang am 7. und 8. Juni laden zehn Architekturhäuser in ganz Österreich zum Festival für Baukultur.

Und eigentlich richtet man sich mit dem Programm nicht an ein Fachpublikum, sondern möchte allen Menschen die Wichtigkeit unserer baulichen Eingriffe bewusster machen, sie sowohl für die ästhetischen als auch für die funktionellen Maßnahmen interessieren und ein persönliches Kennenlernen mit den Planenden anregen. Barrieren und Vorurteile abbauen und Verständnis für alle Möglichkeiten der Teilhabe am Erscheinungsbild unserer Städte sind nur einige der Wunschziele dieses Festivals.

Die Architekturtage 2024 wollen einem breiten Publikum vermitteln, welche beispielhaften Lösungsansätze es für zukunftsweisendes Planen und Bauen gibt.

Christian Kühn, Vorstandsvorsitzender der Architekturstiftung Österreich

Welche Konzepte entwickeln Architekt:innen und Zivilingenieur:innen um gegenwärtigen und zukünftigen Veränderungen sowie Problemstellungen zu begegnen? Wie können Strategien aussehen, die sich mit den Themen Kreislaufwirtschaft, Re-Use, Recycling und Nachhaltigkeit auseinandersetzen? Baukultur gewinnt in Zeiten des Klimawandels zunehmend an Bedeutung, da sie ökologische Aspekte maßgeblich beeinflusst.  „Baukultur“, die in Zeiten des Klimawandels zunehmend an Bedeutung gewinnt, da sie ökologische Aspekte maßgeblich beeinflusst, umfasst nicht nur Architektur und Freiraumplanung als deren sichtbare Ausdrucksform, sondern zeigt sich auch in der Arbeitsweise von Architekt:innen und Ingenieur:innen, denen bei der Planung und Umsetzung von Bauvorhaben eine entscheidende Rolle zukommt. Beide Berufsgruppen gewährleisten nicht nur die technische Machbarkeit der Ausführung, sondern sichern dabei auch innovative Lösungen für einen nachhaltigen Umgang mit den eingesetzten Ressourcen. Eine ihrer Aufgaben sehen die Architekturtage daher auch, in der Sichtbarmachung der Leistungen von Architekt:innen und Zivilingenieur:innen und deren Zusammenspiel in einer Gesellschaft im Umbruch.

Der Umbau eines altern Getreidespeichers in Hall in Tirol zeigt, dass ein verantwortungsvoller Umgang mit den uns zur Verfügung stehenden Ressourcen verbunden ist und Bestand Geschichte und Identität eines Ortes transportiert. Architektur: obermoser + partner, Hanno Schlögl, 2020 Foto: David Schreyer

Aufrütteln und sensibilisieren

Allein das diesjährige Motto „Geht´s noch“ thematisiert die mehr als brisante aktuelle Situation und kann auf mannigfaltige Weise verstanden werden. Einerseits nimmt es die prekäre Lage der Klimaveränderungen aufs Korn und aller mehr als dringlichen Maßnahmen, die seitens der Baubranche zu setzen sind. Angesichts der fortschreitenden Bodenversiegleungen, der stockenden Umsetzung eines Renaturierungsgesetzes, weiter steigenden Bodenverbrauchs, Leerstands und Brachen scheint die Frage – ob es nicht „schon 5 nach 12“ ist und eine Wende überhaupt noch geschafft werden kann aktueller denn je. Anhand zahlreicher Initiativen sowie geplanter wie laufender Projekte kann sich jeder im Rahmen der Architekturtage selbst ein Bild vom stauts quo machen. Und bei aller Dringlichkeit ist dennoch auch eine gewisse bleierne Lahmheit bei der Verwirklichung von zu ergreifenden Maßnahmen festzustellen, eine oft bürokratisch bedingter, verlangsamter Entscheidungsfindungsprozess, der nur stockend in die Gänge zu kommen scheint und engagierten Kämpfern für ein ökologisches Gleichgewicht und nachhaltige Bauweisen, daher manchmal ein alarmierendes „Seid ihr noch zu retten?“ auf die bereits schweißgebadete Stirn zu treiben scheint.

Fakt ist: Ohne radikales Umdenken in Bauwirtschaft und Baukultur wird es nicht möglich sein, die Klimawende zu schaffen.

Dem Bauwesen kommt bei der Bewältigung der vor uns liegenden Probleme eine besondere Rolle zu, weil es weltweit für einen sehr großen Teil aller Emissionen und Ressourcenverbräuche steht.

Werner Sobek, Architekt, Bauingenieur und Unternehmer

Das biennal von der Bundeskammer und den Länderkammern der Ziviltechniker:innen sowie der Architekturstiftung Österreich veranstaltete Festival findet heuer in Kooperation mit der Klima Biennale Wien statt und hat sich zur inhaltlichen Schärfung  die Unterstützung prominenter Themenbotschafter:innen geholt. Zu ihnen zählen neben dem deutschen Architekten, Bauingenieur und Vordenker für nachhaltiges Bauen Werner Sobek, u.a. die Kreislaufwirtschaft-Expertin Catherine de Wolf, die Lehmbauspezialistin Anna Heringer, Urban Mining-Initiator Thomas Romm oder Bettina Leidl , die Direktorin des Wiener MuseumsQuartier.

Es reicht – wir müssen unsere Verwendung von nicht nachhaltigen Baupraktiken, die zu massiver Verschwendung, Ressourcenverknappung und Treibhausgasemissionen beitragen, stoppen!

Catherine de Wolf, Architektin und Bauingenieurin
Die Stadt Wien und die Initiative Lokale Agenda 21 Wien unterstützen Projekte aus der Bevölkerung, Freiräume neu zu nutzen und zu bespielen. Foto: LA21-Tim Dornaus

Das Programm

Kurator:innen der  Architekturtage sind die 10 österreichischen Architekturhäuser, die von von Pop-up-Ausstellungen bis zu Fahrradtouren ein reiches Programm vorbereitet haben.

So legt etwa die Initiative Architektur in Salzburg mit der Ausstellung „material affairs“ buchstäblich die Fakten der Auswirkungen von Baumaterialien auf Klima und Umwelt auf den Tisch. Das afo architekturforum oberösterreich in Linzveranstaltet eine Pop-up-Ausstellung zum Begriff „Wandel“. In Niederösterreich plant das ORTE Architekturnetzwerk Niederösterreich einen Schul-Wettbewerb „Wie geht unsere Welt von morgen?

Wie unsere Gesellschaft und die von ihr gestaltete Umwelt sich aus Sicht junger Menschen verändern müssen!“, in dessen Rahmer junge Menschen in Niederösterreich ihre Ideen zur gestalteten Umwelt und im Sinne ihrer wie unserer Zukunft auf unterschiedliche Weise (in Modellen, Zeichnungen, Cartoons, Collagen bis zu Fotos oder Videos) eingebracht haben. Das aut. architektur und tirol hingegen lädt zu Kurzführungen in unterschiedliche Transformationsprojekte nach Hall in Tirol und der Architektur Raumburgenland setzt seinen Veranstaltungsschwerpunkt auf die Erhaltung historischer Bausubstanz und die Wiederverwendung von Bauteilen. Im HDA Graz sind gleich zwei Ausstellungen zu sehen: „Smoties“ über die Reaktivierung von Orten in abgelegenen Regionen und eine Schau zur Stadtentwicklung in der niederländischen Stadt Groningen. Zu Workshops, Vorträgen und Happenings mit den Themenschwerpunkten Kreisläufe, einfach Bauen, Patina und Liebe lädt das vai Vorarlberger Architekturinstitut, während in Wien die ÖGFA (Österreichische Gesellschaft für Architektur) mit Stadtspaziergängen und Bauvisiten rund um das Nordwestbahnhofareal und in die Seestadt Aspern führt. Und in Kooperation mit der ÖGFA plant das Architekturzentrum Wien eine Stadt- und Innenraumerkundung in den historischen Vierteln zwischen Praterstern und Nordwestbahnof.
Die Wiener Festivalzentrale der Architekturtage wird von 7. bis 8. Juni am Nordwestbahnhofareal in Kooperation mit der Klima Biennale Wien zu finden sein.

Offene Büros und Ateliers

Im Rahmen des Formats Openstudio24 öffnen wieder viele Architekt:innen und Ingenieur:innen in allen Bundesländern ihre Büros und Ateliers und erlauben einen ganz besonderen Einblick in ihre Arbeit und Projekte.  Ein gesonderter Opencall24, als Aufruf an alle ab 16 Jahren, hatte dazu eingeladen, kreative Ideen, Projekte oder Beiträge zum Thema „Baukultur“ einzureichen und damit Teil der Architekturtage 2024 zu werden. Auf die Ergebnisse darf man gespannt sein.

Nähere Informationen zum Programm der Architekturtage 2024www.architekturtage.at

Österreichs zehn Architekturhäuser:
afo architekturforum oberösterreich
Architektur Haus Kärnten 
Architektur RAUMBURGENLAND
Architekturzentrum Wien 
aut.architektur und tirol
HDA – Haus der Architektur Graz 
Initiative Architektur Salzburg 
ÖGFA – Österreichische Gesellschaft für Architektur / Wien
ORTE Architekturnetzwerk Niederösterreich 
vai Vorarlberger Architektur Institut

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