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Im Zuge der Sanierung der Nationalgalerie Berlin wurde die prägnanten Keramikwaschbecken in den Publikumstoiletten exakt nachgebildet. BBR / Marcus Ebener

Nach fast sechsjähriger Bauzeit ist die Sanierung der Nationalgalerie Berlin abgeschlossen. Die Ikone der Moderne, von Mies van der Rohe zwischen 1965 und 1968 errichtet, ist nach der aufwendigen Neugestaltung durch Chipperfield Architects wieder für das Publikum zugänglich. Auch die Toilettenanlagen für das Publikum wurden einer Sanierung unterzogen. Der Sanitärkeramikspezialist Laufen fertigte hierfür zwölf Rekonstruktionen der originalen Keramikwaschtische an, exakt dem Entwurf Mies van der Rohes aus den 1960er Jahren entsprechend.

Die Neue Nationalgalerie ist seit ihrer Fertigstellung im Jahr 1968 ein weltweit bekannter Ort für die bildende Kunst des 20. Jahrhunderts. Der Bau gilt als Ikone der Klassischen Moderne und ist das einzige Bauprojekt, das Ludwig Mies van der Rohe (1886-1969) nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland realisierte. Der quadratische Pavillon aus Stahl und Glas gliedert sich in eine monumentale, stützenlose Haupthalle für Wechselausstellungen, über der ein gewaltiges Kassettendach aus Stahl zu schweben scheint. Sie verkörpert Mies van der Rohes’ Idee eines nutzungsvariablen Universalraums, der in seiner Funktion architektonisch nicht festgelegt ist.

Die Sanierung durch das Berliner Büro von David Chipperfield Architects dauerte fünf Jahre. Es gelang, das denkmalgeschützte Gebäude in akribischer Detailarbeit zu restaurieren und so die visuelle Einheit des Gebäudes zu bewahren. So viel historische Bausubstanz wie möglich zu erhalten und nur wo absolut nötig, auf moderne Lösungen oder Replikate zurückzugreifen, war die Aufgabe, die erfolgreich abgeschlossen wurde.

Die Besucher der Neuen Nationalgalerie erleben die Waschtische heute exakt so, wie sie Ludwig Mies seinerzeit bei der Bauabnahme gesehen hätte. BBR / Marcus Ebener

Die Notwendigkeit der Rekonstruktion
In den Publikumstoiletten für Damen und Herren konnte die ursprüngliche Ausstattung aus hygienischen und ästhetischen Gründen nicht weiterverwendet und musste daher grundlegend saniert werden. Die Räumlichkeiten sind jeweils so aufgebaut, dass man über einen Vorraum in einen Waschraum und über diesen weiter in die eigentlichen Toilettenanlage gelangt. Die sechs prägnante Keramikwaschbecken in den Waschräumen werden seit langem nicht mehr gefertigt. Auf der Suche nach einem Hersteller, der die Original-Modelle exakt nachbilden kann, trat David Chipperfield Architects an Laufen heran. Da der Schweizer Badspezialist bereits die acht Keramik-Waschtische in Mies van der Rohes Villa Tugendhat in Brünn reproduziert hatte, nahm auch diese neue Herausforderung gerne an. Laufen engagiert sich seit vielen Jahren intensiv in den Bereichen Kunst, Kultur und Architektur und verfügt über mittlerweile große Erfahrung in der Herstellung individueller und maßgefertigter Badelemente.

„Als David Chipperfield Architects 2015 auf uns zukam, war es eine Ehrensache für uns, die Restaurierung dieses Architektur- und Kulturdenkmals mit unserer Expertise und unseren technischen Möglichkeiten zu unterstützen“, sagt Alain Reymond, Head of Designmanagement bei Laufen. Für die Produktion greift das Unternehmen auf seine traditionsreiche Keramik-Manufaktur im österreichischen Gmunden zurück, die darauf spezialisiert ist, Keramiken in Kleinserien oder übergroße Sonderanfertigungen im Handgussverfahren zu fertigen.

Die eigentliche Herausforderung bei der Rekonstruktion war die Berechnungen zur Herstellung eines Waschtischs in gleicher Größe und Form, da Wasserentzug bei Trocknung und Brand der Keramik-Rohlinge zur sogenannten „Schwindung“ führt. BBR / Torvioll Jashari

Ein komplexes Verfahren
Um die Nachbildung zu ermöglichen, stellte man Laufen eines der Waschbecken aus der Neuen Nationalgalerie als Muster zur Verfügung. Das Original wurde gescannt, in ein 3D-Konstruktionsmodell umgewandelt und nach hochkomplexen Berechnungen in zwei Gipsblöcke gefräst, um neue Formhälften zu erhalten. Die eigentliche Herausforderung dabei waren die Berechnungen, denn zur Herstellung eines Waschtischs in gleicher Größe und Form, genügt es nicht, einen einfachen Abguss des Musters in gleicher Größe abzunehmen.

Denn die Keramikmasse, „Schlicker“ genannt, besteht nicht nur aus den natürlichen Materialien Ton, Kaolin, Feldspat und Quarzsand, sondern enthält auch viel Wasser. Beim Trocknen und beim über 20-stündigen Brand der Keramik-Rohlinge im rund 1.200 °C heißen Tunnelofen wird der Keramikmasse dieses Wasser komplett entzogen, was zur sogenannten „Schwindung“ führt. Dadurch schrumpft das Werkstück, der Profi sagt „Stücken“ dazu, um bis zu zwölf Prozent – zum Leidwesen jedes Keramikers allerdings völlig ungleichmäßig und an den unterschiedlichsten Stellen. Diese Verformungen und Masseverluste müssen vorab bei der Herstellung der Form berücksichtigt werden, wofür neben besagten computergestützten Berechnungen auch viel praxisnahe Erfahrung nötig sind.

Fingerspitzengefühl und präzise Handarbeit bewies Laufen auch bei der Glasur der Waschtische; kein Roboter vermag das bei Kleinserien, seltenen Farben oder komplexen Formen zu leisten. BBR / Torvioll Jashari

Eine handwerkliche Herausforderung
Fingerspitzengefühl und präzise Handarbeit waren auch bei der Glasur der Waschtische notwendig, denn kein Roboter vermag das in der Anwendung bei Kleinserien, seltenen Farben oder komplexen Formen zu leisten. Somit wurde die weniger als ein Millimeter dicke und matte Glasur von Hand aufgetragen und verwandelte sich im Brennofen dann in jene glasige Schicht, die den Waschtisch so hygienisch macht und vor Schäden schützt. „Die Waschtische sind jetzt wie ein Original, an dem die Jahre spurlos vorübergegangen sind. Unsere Keramikspezialisten in Gmunden haben hervorragende Arbeit bei der Rekonstruktion geleistet“, sagt Alain Reymond, „die Besucher der Neuen Nationalgalerie erleben die Waschtische heute exakt so, wie sie Ludwig Mies seinerzeit bei der Bauabnahme gesehen hätte.“

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