Die Kraft des Weiblichen

Esra Gülmen, 2024, Little Girl in the Pool Foto: Michael Maritsch, Courtesy Kulturhauptstadt Europas Bad Ischl Salzkammergut 2024

Mit der Ausstellung „Radical Feminine – Radikal weiblich“ widmet sich die Kulturhauptstadt Salzkammergut 2024 im Kunsthaus Blaue Butter im Kunstquartier Stadtgarten Gmunden der zeitgenössischen Keramikkunst. Feminismus, Radikalismus und Verletzlichkeit stehen im Mittelpunkt des Projekts „City of Ceramics“.

Lange Zeit waren Frauen in der von Männern dominierten Kunstwelt benachteiligt und diskriminiert. Blieb ihnen bis zum Beginn der 20. Jahrhunderts die Kunstausbildung in ihrem gesamten Spektrum verwehrt, waren sie gezwungen, sich auf kunsthandwerkliche Bereiche zu konzentrieren, die für sie frei zugänglich waren. Künstlerinnen wendeten sich daher vermehrt in Nischenbereichen, die man ihnen überlassen hatte, Materialien und Techniken zu, die vornehmlich auch als weiblich angesehen wurden, wie Grafik, Textil und Keramik. Den Aufbruch aus etablierten Konventionen bestimmten aber letztlich auch in der Kunst der Keramik starke weibliche Positionen.

Grenzen überschreitend

Inspirierte der Rohstoff Ton bereits die Pionierinnen, so experimentieren Künstlerinnen bis heute mit dem Material, reizen es immer wieder bis über seine vermeintlichen Grenzen aus. Die von Genoveva Rückert und Veronika Schreck – Kuratorinnen der OÖ Landes-Kultur GmbH und der Academy of Ceramics Gmunden – kuratierte Ausstellung „Radical Feminine – Radikal weiblichwidmet sich vom Beginn des 20. Jahrhunderts an, diesem Aspekt des Weiblichen in der Keramikkunst.

Der Bogen der Exponate reicht von der Urgeschichte bis zu radikalen Ansätzen der Gegenwartskunst. Zu sehen sind eine der ältesten bekannten Frauendarstellungen ebenso wie wichtige Positionen des 20. Jahrhunderts sowie der Gegenwart, die das Weibliche und Figurative ebenso widerspiegeln wie starke feministische Haltungen. Dominierte die männliche Sichtweise lange Zeit die Darstellungen nackter Frauenkörper, so gelang es den Keramikkünstlerinnen der Jahrhundertwende, ihren persönlichen Blick auf das Weibliche zu lenken. Nachvollziehbar wird dies in der Ausstellung anhand von Exponaten der österreichischen Keramikkünstlerinnen Emilie Schleiss-Simandl (1880–1962), Susi Singer (1891–1955), Ida Schwetz-Lehmann (1883‒1971 AT), Gudrun Baudisch–Wittke (1907–1982) oder Annerose Riedl (DE/AT). Zu sehen sind aber ebenso Arbeiten, der noch rechtzeitig vor dem Anschluss nach London geflüchtete jüdische Keramikerin Lucie Rie (1902–1995) sowie Maud Friedland (1927–1996 AT/IL) oder Arbeiten zeitgenössischer Keramikkünstlerinnen wie Julia Beliaeva (UA), Alexandra Engelfriet (NL/FR), Esra Gülmen (TR/DE), Maria Kulikovska (UA), Kris Lemsalu (EE/AT), Linda Luse (LV/AT), Laura Põld (EE) und Chin Tsao (TW).

Kiki Kogelnik, o.T. Foto: Galerie 422, Courtesy Kulturhauptstadt Europas Bad Ischl Salzkammergut 2024

Einzigartig radikal

Das einzigartig kraftvolle und radikal weibliche Werk von Kiki Kogelnik (1935–1997 AT/US), und ihre Keramikobjekte sind ebenfalls Teil der Ausstellung. Mit Feminismus, Radikalität und Verletzlichkeit befassen sich auch die Arbeiten von Annerose Riedl (AT), Kris Lemsalu (EE/AT) und Maria Kulikovska (UA). Sie sind in der Ausstellung ebenso vertreten wie Laura Põld (EE) und Chin Tsao (TW), die anhand ihrer Kunstwerke das Menschliche hinterfragen.

Gesellschaftspolitische Kritik zeigen Esra Gülmen (TR/DE) und Julia Beliaeva (UA). Linda Luse‘s (LV/AT) Objekte drehen sich um das Thema Wurzel, Johannes Schweiger (AT) widmet sich ökonomischen Bedingungen und Lucie Rie (AT/GB) ist hier als Grande Dame mit der modernen Keramik präsent. Der zwischenmenschliche Umgang und die kritische Auseinandersetzung mit Umwelt und der Natur ist quer durch alle keramischen Arbeiten rund um fantastische neue Erzählungen von Weiblichkeit, Menschlichkeit und Zusammenleben wiederzufinden. Dabei wird ebenso dekonstruiert, durchaus auch humorvoll zerstört und neu zusammengesetzt, indem Grenzen überschritten werden und gängige Vorstellungen des Femininen auf radikale Weise neu gedacht werden.

Die ausgestellten Keramiken internationaler, zeitgenössischer Künstlerinnen sind Leihgaben öffentlicher und privater Sammlungen, wie u. a. der Sammlung der Stadt Gmunden, der Archive der Gmundner Keramik Manufaktur und der Laufen Austria AG, der Sammlung des Landes Oberösterreich sowie zahlreicher Galerien.

Bis 13. Oktober 2024

Kunsthaus Blaue Butter, Kunstquartier Stadtgarten Gmunden
Johann Tagwerkerstraße 8, 4810 Gmunden

www.salzkammergut-2024.at

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