Gegen totale Scheinlösungen

Stein des Anstoßes: Ernst-Happel-Stadion in Wien, Luftaufnahme, Westansicht aufgenommen 2020. Baubeginn des Praterstadions: 1929, eröffnet: 1931. Architekt: Otto Ernst Schweizer. 1992 Namensänderung in Ernst Happel Stadion. Foto: commons.wikimedia.org/Arne Müseler/www.arne-mueseler.com

Ein Plädoyer für die unabhängige Planung war Anfang April der zentrale Inhalt eines Mediengesprächs der ZT: Kammer der Ziviltechiker:innen und Zivilingenieur:innen für Wien, NÖ und Burgenland, bei der man die Wichtigkeit der Trennung von Planen und Bauen unterstrich.

Der Anlass:  Die Ausschreibung eines Totalunternehmerverfahrens für die Errichtung eines neuen Daches des Wiener Ernst-Happel-Stadions.
In der Kritik steht nicht nur die zu knappe Frist – die Stadt Wien als Auftraggeberin hat anstatt der gesetzlichen Mindestfrist von 30 Tagen sogar 34 Tage vorgesehen – sondern die Wahl des Totalunternehmerverfahrens.  Effektiv nutzbar war nicht einmal die Hälfte der „üppigen“ Frist von insgesamt 12 Werktagen, unzumutbar auch in Relation zu der veranschlagten Bausumme von 50 Mio Euro.

Einzelvergabe versus Totalunternehmer

Bei einem Totalunternehmerverfahren werden sämtliche Gewerke, die zur Errichtung eines Bauwerks erforderlich sind, ebenso wie die Planung an einen einzigen Auftragnehmer vergeben. So meint die Berufsvertretung: „Die Komplexität des Vergaberechtes und eine Kultur der Verantwortungsvermeidung hat dazu geführt, dass öffentliche Bauvorhaben zunehmend mittels neuer Konstruktionen abgewickelt werden: Totalunternehmerverfahren, Generalübernehmerverfahren und PPP-Modelle“.

Es handle sich dabei um bloße Scheinlösungen und um Modelle, die mit deutlich mehr Nachteilen als Vorteilen verbunden sind, meint die ZT:. Diese Konstruktionen würden die Rahmenbedingungen österreichischer KMU verschlechtern und dazu führen, dass öffentliche Interessen unter die Räder kämen. Die öffentliche Hand beraubt sich durch diese Modelle ihres Gestaltungsspielraumes und liefert sich übermächtigen Konzernen aus.
Eine Vergabe an einzelne (K)MU bedeutet mehr Risiken und Pflichten beim Auftraggeber andererseits aber auch eine starke Planung. Zu beachten sei dabei die klare Bestellgrundlage, das Vorliegen vergleichbarer Angebote und eine daraus resultierende starke Qualitätssicherung.
Als erwünschte „Nebenwirkung“ könne dabei die Förderung mittelständischer Unternehmen und eine Verhinderung von Marktkonzentration gesehen werden. Eine starke Planung bedeutet daher auch eine starke Position als Auftraggeber.
Der Totalunternehmer hingegen übernimmt Risiken und Pflichten, allerdings nicht kostenlos. Die Folge seien hohe Zuschläge nicht zuletzt auf Grund unzureichender Beschreibung, eine unklare Bestellung, sowie schwer vergleichbare Angebote. Für die ZT: Zeichen einer schwachen Planung und eines schwachen Auftraggebers.

(v.l.) Bernhard Sommer, Peter Bauer und Rechtsanwalt Sandro Huber hatten zum Mediengespräch in die Wiener ZT: Kammer geladen. Foto: elephantandporcelain

Kritik des Rechnungshofs

Auch der Rechnungshof stelle häufig fest, dass öffentliche Bauherr:innen ihre Interessen bei der Planung nicht ausreichend wahrnehmen würden. (Bau-)Leistungen würden oftmals ausgeschrieben, obwohl sie aufgrund fehlender eindeutiger, umfassender und ausreichend detaillierter Leistungsbeschreibungen nicht reif dafür seien. Daraus könnten im Zuge der Bauabwicklung Umplanungen, Mehrungen und Minderungen der ausgeschriebenen und beauftragten Mengen und damit einhergehende signifikante Kostenerhöhungen und Terminverzögerungen resultieren.
Eine ausschreibungs– und ausführungsreife Planung sei Grundlage für die Vergabe materieller Leistungen, weshalb diese höchsten Qualitätsanforderungen entsprechen müssten und eine entsprechende Qualitätssicherung unabdingbar sei.

Für unabhängiges Planen

„Planung ist nur eine Nebenleistung“ – diese Meinung vertritt das Verwaltungsgericht Wien. Die Begründung: Das Auftragsvolumen sei deutlich geringer.  Der Logik der Auftraggeberin und des Verwaltungsgerichts zufolge wäre ein interessiertes Planungsunternehmen daher nicht berechtigt, sich gegen unfaire, intransparente Ausschreibungsbestimmungenzu wehren, die dem Projekt langfristig schaden. Denn Planungsleistungen seien demnach ein bloßes Anhängsel im Gesamtprojekt (oder eben eine untergeordnete Nebenleistung ohne Rechte).

Allerdings sollte nicht zuletzt auch aufgrund der allgegenwärtigen Forderung eines nachhaltigen Bauens bekannt sein, dass Baukosten nur einen Bruchteil der „Life-Cycle“-Kosten ausmachen. Nachhaltiges Bauen ohne vorausschauende Planung und Projektentwicklung sei gar nicht möglich– unterstreicht die ZT:.
Erst die Trennung von Planen und Bauenermögliche das erforderliche Zusammenspiel gegenseitiger Kritik und Kontrolle, Inspiration und Befruchtung, die Transparenz, Qualität, Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit sichert.

Teilnehmer:
Architekt Dipl.-Ing. Bernhard Sommer, Präsident
Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Peter Bauer, IK für Bauingenieurwesen, Vizepräsident
Ing. Mag. Sandro Huber, Rechtsanwalt, Huber | Berchtold Rechtsanwälte

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