Das Schaffen von Eileen Gray (1878-1976), der aus einer irisch-schottischen Adelsfamilien stammenden Designerin, umfasst Designklassikern ebenso wie Architektur. Zu den von ihr gestalteten Objekten gehören auch Teppiche, die sie für Ihre eigenen Häuser oder Wohnungen schuf. Nun hat das Münchner Unternehmen ClassiCon für ihre bisherigen Wollteppiche erstmals eine neue pflanzliche Faser eingesetzt: Nessel.
Bereits zu Lebzeiten war Eileen Gray mit dem Titel „Royal Designer of Industry ausgezeichnet worden. Als eine weniger Frauen nimmt sie mittlerweile längst einen gleichwertigen Platz unter den ganz großen männlichen Kollegen wie Le Corbusier, Mies van der Rohe oder Marcel Breuer ein.
Eine außergewöhnliche Begegnung
Der 2021 verstorbene Designer Zeev Aram, Gründer und Eigentümer des Aram Stores, den er 1964 in der angesagten Londoner Kings Road eröffnet hatte, hatte die Arbeiten vieler legendärer Designer nach Großbritannien geholt, darunter Marcel Breuer, Achille und Pier Giacomo Castiglioni, Le Corbusier und Eileen Gray, die er 1973 in London kennenlernte. In einem Interview für das Magazin Dezeen erzählte Aram 2013, dass Gray, die einst in den 1920er und 30er Jahren für ihre modernistischen Möbel und Architekturprojekte gefeiert worden war, zum Zeitpunkt als er ihr erstmals begegnete in Vergessenheit geraten war. Sodass sie, wie Aram erzählt, „fast ein wenig verwirrt war, dass sich jemand für ihre Arbeit interessierte“. In diesem Interview beschreibt Aram seine Arbeitsbeziehung mit Eileen Gray und er erinnert daran, dass die Designerin, damals bereits in ihren Neunzigern „mit einem Auge sehen konnte, was viele Architekten, die ich kenne und verehre auch nicht mit zwei Augen zu sehen vermögen“. Sie war eine zerbrechliche, auf bescheidene Art sehr elegante kleine Dame. Sie trug eine Brille, mit einem schwarzen Glas, das ein Auge verdeckte, auf dem sie nicht mehr sehen konnte. Sie war sehr schüchtern, wusste aber gleichzeitig genau, was Sache ist. Aram arbeitete bis zu ihrem Todesjahr 1976 eng mit ihr zusammen.


Überzeugende Anerkennung
Eileen Grays Zusammenarbeit mit Zeev Aram, der ihren Entwürfen zur Serienreife verhalf, mündete 1973 in der Übertragung der weltweiten Rechte für Produktion und Vertrieb an dessen Unternehmen. Die Vereinigten Werkstätten in München – aus denen 1990 ClassiCon hervorging – hatten Grays Möbel in Lizenz hergestellt und vertrieben. Und heute produziert ClassiCon als weltweit einziger, rechtmäßiger Lizenznehmer in Abstimmung mit Aram Designs Ltd., London, Grays ikonische Möbeldesigns. Zwischen 1920 und 1935 entstanden in ihrem eigenen Atelier auch Teppiche nach ihren Entwürfen. Einige werden auch heute noch produziert, so etwa der Teppich „Roquebrune“, der an jenen Ort erinnert, an dem Eileen Gray ihr erstes Haus, das E 1027 als weiße minimalistische Villa am Meer errichtete. Oder der Teppich „Bonaparte“, benannt nach der Rue Bonaparte in Paris, wo Gray jahrzehntelang gelebt hat. Diese Meisterwerke abstrakter Textilkunst wurden bislang ausschließlich aus 100% reiner Wolle, unter Verwendung biologischen Farbstoffs, handgeknüpft. Nun entscheid man sich, die Teppiche erstmals aus Nessel zu fertigen.
Umweltbewusst und fair
Nessel schafft als natürliche Faser eine ganz besondere Ästhetik: es sind vor allem die leicht changierenden Farbeffekte, die der unterschiedlichen Aufnahmefähigkeit der Nesselfaser geschuldet ist, und der seidige Glanz, die faszinieren. Die neuen Nessel-Teppiche sind ein weiteres Zeichen der Wertschätzung des Schaffens dieser non-konformistischen Designerin. Grundlage der Teppichentwürfe bilden Grays Gouachen – zuletzt für den Faubourg Rug.


Hergestellt werden die neuen Nesselteppiche in Nepal, an jenem Ort, an dem Himalaya-Nessel wild wächst und wo die Pflanzen weder mit Pestiziden noch mit künstlichen Düngemitteln in Kontakt kommen. Nach ihrer Blütephase im Sommer werden die getrockneten Stiele der besonders hochwachsenden Nessel im Herbst von Hand gepflückt. In einzelne Fasern getrennt, werden sie im Anschluss in der Stadt Jiri in einem neu entwickelten Verfahren weiterverarbeitet: Die Faser werden in mehreren Durchgängen mit Quellwasser gewaschen, weichgeklopft und getrocknet, wodurch sie fast ebenso weich werden wie Wolle. Das Wasser, das zur Verarbeitung der Faser verwendet wird, findet im Anschluss noch zur Bewässerung in der Landwirtschaft eine weitere Verwendung.
Weißer Lehm kommt im Weiteren zum Einsatz, um die Faser aufzuhellen. Erst nach einer längeren Trocknungszeit kann die Faser dann in einem der Bearbeitung von Schafwolle vergleichbaren Arbeitsvorgang von Hand zu Fäden gesponnen und in der Folge eingefärbt werden. Dazu werden Nach Oeko-Tex® Standard 100 getestete umweltverträgliche Farbpigmente eingesetzt. Genau wie bei Wolle werden auch die Nesselteppiche anschließend unter Verwendung der traditionellen Knüpftechnik des „Tibetischen Knotens“ gefertigt. Das Ergebnis ist eine besonders weiche und seidige Haptik, die mit dem matten Glanz der Naturfaser perfekt harmoniert. Die Knüpfdichte von 80 Knoten pro Quadratzoll entspricht etwa 124.000 Knoten pro Quadratmeter.
Die Nesselteppiche lässt ClassiCon in Zusammenarbeit mit M2R fertigen, einem Hersteller, der einen künstlerischen Designanspruch mit nachhaltiger Produktion verbindet. Alle Teppiche von ClassiCon sind mit dem STEP-Label zertifiziert. Die gemeinnützige Organisation hinter STEP setzt sich neben fairen Löhnen u.a. auch für das Verbot von Kinderarbeit ein. Außerdem führt sie unabhängige Kontrollen durch, um sichere und menschenwürdige Arbeitsbedingungen zu gewährleisten.


ClassiCons Portfolio umfasst aktuell 13 Teppiche aus Eileen Grays Entwürfen, die in je zwei Größen erhältlich sind. Eileen Gray besaß nicht nur ein Atelier, über das sie ihre avantgardistischen Teppiche verkaufte, sondern fertigte ihr Leben lang Gouachen an. Die Meisterwerke abstrakter Stilkunst haben dabei verschiedene Bezugspunkte: Das Motiv „De Stijl“ überträgt etwa eine Gouache auf Textil, die Eileen Gray im Designprozess des gleichnamigen Beistelltisches anfertigte. „Cassis“ trägt den Namen des Küstenorts der Provence, in dem sie ihre Villa E1027 gestaltete. Mit den Teppichen aus nepalesischer Nessel erweitert ClassiCon die bisher aus 100 Prozent handversponnener New Zealand Schurwolle geknüpften textilen Kunstwerke um eine vegane, komplett pflanzliche Alternative.
Über ClassiCon
ClassiCon, das als Unternehmen 1990 aus den traditionsreichen Vereinigten Werkstätten in München hervorging, widmet sich dem Möbeldesign im Spannungsverhältnis zwischen Klassikern und Avantgarde. Die Lizenzen zu den Entwürfen berühmter Designer:innen der klassischen Moderne, wie beispielsweise Eileen Gray, Eckart Muthesius oder Otto Blümel, bilden den Grundstein für die heutige Kollektion. Zeitgenössische Entwürfe von Gestalter:innen wie Konstantin Grcic, Sebastian Herkner oder Victoria Wilmotte schlagen im Portfolio die Brücke in die Gegenwart. Alleininhaber und Geschäftsführer Oliver Holy prägt das Unternehmen durch seine Leidenschaft für Design, Architektur und Kunst mittlerweile bereits über 20 Jahre. Seit September 2024 ergänzt CEO Timotheus Günak die Geschäftsleitung.
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