Großteils noch bis zum 2. November – manchen Ausstellungen laufen noch weit darüber hinaus – zeigt die Foto Wien 2025, wie sich unsere Wahrnehmung von Zukunft im Zeitalter Künstlicher Intelligenz, virtueller Realitäten und algorithmisch erzeugter Bilder verändert.
Und wie die Fotografie auf diese Entwicklungen – formal, inhaltlich, politisch – reagiert. An 99 Standorten zeigen 333 Künstler:innen ihre Arbeiten im Spannungsfeld von Bild, Wissenschaft, Technologie und Gesellschaft. Unter dem Motto „dynamic futures“ geht es bei der Foto Wien 2025 um aktuelle und spekulative Zukunftsfragen. Im Fokus steht die Fotografie als künstlerisches, dokumentarisches und forschendes Medium.
Die vielzähligen Veranstaltungsorte – Museen, Ausstellungshäuser, Galerien, Bibliotheken, Universitäten, Off-Spaces und Studios – sind auf das gesamte Stadtgebiet verteilt. Fotografie wird sichtbar und – für alle – zugänglich. „Foto Wien bringt Fotografie in den öffentlichen Raum und damit direkt zu den Menschen. Mit Ausstellungen, Talks und Aktionen im Stadtraum wird kulturelle Teilhabe gefördert und gezeigt, wie vielfältig, kritisch und gesellschaftsrelevant zeitgenössische Fotografie ist. Das Festival bietet Diskursräume zu aktuellen Themen und wird damit auch zum Schaufenster des Foto Arsenal Wien – es zeigt, wofür wir stehen: fotografische Exzellenz, Diskurs und Zugänglichkeit“, erklärt Felix Hoffmann, Festivaldirektor der Foto Wien und Artistic Director des Foto Arsenal Wien.
Anläßlich einer offenen Ausschreibung waren vielfältige Beiträge eingereicht worden, eine interdisziplinäre Jury wählte daraus ein Programm aus, das historische Perspektiven ebenso berücksichtigt wie gegenwärtige Bildpolitiken und spekulative Zukunftsentwürfe.
Am 3. Oktober 2025 eröffnete das Festival und damit auch die Ausstellung „Science/Fiction – A Non-History of Plants“ zu fiktiven Wissensproduktionen und Visualisierungen zwischen Wissenschaft, Botanik und Spekulation, die noch bis 18. Jänner 2026 zu sehen ist. „Schon kurz nach ihrer Entdeckung wurde über die zukünftigen Einsatzfelder der Fotografie spekuliert – von der Botanik bis hin zur Astronomie. Heute erleben wir durch das Aufkommen algorithmischer Bilder einen ähnlich tiefgreifenden Wandel“, sagt Mona Schubert, kuratorische Leiterin der Foto Wien 2025 und lädt die Besucher:innen der Foto Wien 2025 ein, sich aktiv mit diesen und weiteren fotografischen Visionen der Zukunft auseinanderzusetzen“.
Die folgende Auswahl einiger Ausstellungen ist hoffentlich Anregung, sich das Programm noch rasch etwas genauer anzusehen.

Mit Transformation zeigt die Galerie Rauminhalt, Harald Bichler noch bis 1. November 2025 Werke von Johannes Gramm und Stefan Oláh.
Oláh etwa dokumentiert die architektonische Veränderung von der Entkernung des ehemaligen erzherzoglichen Kanzleigebäudes von 1914 bis zu dessen Neugestaltung für die Heidi Horten Collection. In den meisten seiner Fotografien sucht man vergeblich nach Menschen, und doch geht es in seinem Werk vornehmlich um sie. „Ohne Dinge keine Zukunft“ könnte das Motto von Johannes Gramm heißen. Denn bei der Betrachtung der Dinge entstehen Erinnerungen und daraus ein Bild, das auf eine mögliche Zukunft verweist. Die Fotografie ermöglicht es uns, Teil einer Transformation zu sein, indem sie Veränderungen zeigt und zu Reflexion einlädt. Fotograf:innen bilden das Gegenwärtige ab, und sie verbinden das Vergangene mit dem möglichen Zukünftigen.
Galerie Rauminhalt, bis 1. November 2025
https://www.rauminhalt.com/

Fritz Simak „In the Key of Life“ – 50 Jahre Fotografie. Eine feine faszinierende Jubiläumsausstellung kuratiert die Kunsthistorikerin und Galeristin Andrea Jünger. Simak gilt durch seine radikalen fotografischen Werke, die er 1972 – noch keine 20 Jahre alt –geschaffen hat, als Pionier der konzeptuellen Fotografie. Allein dafür „gebührt ihm ein zentraler Platz in dieser Epoche“, wie einst Peter Weibel unterstrich. Sein Lebensumfeld bot ihm die passenden Motive im ländlichen Niederösterreich seiner Kindheit, in Wiener Studentencafés, in der Architektur und in der Kunst. Sein eigentliches Arbeitsmaterial ist jedoch bis heute nicht die Wirklichkeit, die der fotografische Apparat abbildet, sondern jenes Licht, aus dem die Bilder erst entstehen. Simaks Licht-Bilder erzählen von seiner Beziehung zur Welt, zu der er uns neue Zugänge eröffnet.
Galerie Jünger, bis 2. November 2025
galerie-juenger.at

Misfits ist der Titel der noch bis 29. November 2025 laufenden Ausstellung der Galerie Zeller von Almsick, inspiriert von der gleichnamigen, 2024 entstandenen Fotoserie des österreichischen Künstlers Kay Walkowiak. Gezeigt werden zum einen Walkowiaks großformatige Arbeiten, in denen er Keramiken des luxemburgischen Musée national d’archéologie, d’histoire et d’art (MNAHA) in einem äußerst fragilen Gleichgewicht in Szene setzt. In seinen präzisen Fotomontagen bilden sich neue Beziehungen zwischen scheinbar unverbundenen Elementen. Walkowiak legt die perspektivischen „Fehler“ offen und entlarvt damit westliche Praktiken von Moderne und Gegenwart als äußerst prekären und fragilen Zustand. Eine andere Art von (Un-)Gleichgewicht entwickelt sich in The Call (2023), ein erheiternder Kurzfilm, der Personen in unterschiedlichen Settings zeigt, die unaufhörlich klingelnde Telefone abheben – der voluminöse Hörer in Hummerform ist eine Hommage an Salvador Dalís schelmischstes surrealistisches Objekt. Acht Variationen des Hummertelefons sind im Einsatz, absurd und subversiv verbindet sich eine Szene mit der nächsten. Der in Bangkok gedrehte Film fängt den vergangenen Glamour der 1960er Jahre ein, in Hotels, Bars, Geschäften und Apotheken. Das Hummertelefon wird durch die Wiederholung nicht nur zur exzentrischen Requisite, sondern verbindet über zeitliche Schichten hinweg. Sowohl das surreale Gleichgewicht in den Fotografien als auch die sich wiederholenden Filmszenen verweisen auf zeitliche Instabilität, auf Momente, die nicht festgehalten werden können, aber dennoch nachhallen.
Galerie Zeller von Almsick, bis 29. November 2025
zellervanalmsick.com

Science fiction – A Non History of Plants im Foto Arsenal Wien stellt sich bis 18. Jänner 2026 die Fragen: Was, wenn Pflanzen intelligenter wären, als wir denken? Was, wenn sie beobachten, kommunizieren – vielleicht sogar träumen? Die Gruppenausstellung lädt zu einer historischen Auseinandersetzung mit der Welt der Pflanzen ein und ist dabei ebenso sinnlich wie spekulativ und erkenntnisreich. Die Ausstellung entstand in Zusammenarbeit mit dem Maison Européenne de la Photographie (MEP) in Paris und vereint Werke von über 40 internationalen Künstler:innen, beginnend mit historischen Pionier:innen der Fotografie wie Anna Atkins, William Henry Fox Talbot und Laure Albin Guillot, die in einen Dialog mit zeitgenössischen Positionen treten.
Foto Arsenal Wien, bis 18. Jänner 2026
www.fotoarsenalwien.at/de

Streik! 40 Jahre Großer Britischer Bergarbeiterstreik (1984/85) zu sehen in einer Ausstellung des Österreichischen Gewerkschaftsbunds (ÖGB), bis zum 31. Jänner 2026, kuratiert von Isaac Blease, Tom Juncker und Florian Wenninger. Der britische Miners‘ Strike 1984/85 schrieb Geschichte: In einer erbitterten Auseinandersetzung mit der Regierung Thatcher kämpfte ein ganzes Milieu um seine Existenz – und verlor. Ein Jahr später, als der Streik zusammenbrach, war die Welt – nicht nur in Großbritannien – eine andere. Die neoliberale Wende war durchgesetzt. Der Streik war einer der längsten und größten Arbeitskämpfe Großbritanniens, dessen Auswirkungen noch heute im ganzen Land zu spüren sind. Die Ausstellung zeigt Fotografien, die während des Streiks entstanden und bietet Gelegenheit, über Gemeinschaften in Konfliktsituationen zu reflektieren.
ÖGB, bis 31. Jänner 2026
www.ihsf.at






